Die Entstehung unserer vorstädtischen Kleinsiedlungen und eine Rückschau auf die

 

                                                                                                                  Entwicklung der Selbsthilfe Siedlung

 

 

 

Die Weltwirtschaftskrise von 1928 brachte es mit sich, dass in den folgenden Jahren fast 7 Millionen Menschen arbeitslos wurden.

 

Eine der heutigen Generation unvorstellbare Not der Erwerbslosen veranlasste die damalige Reichsregierung zu großen Anstrengungen. Es war die Zeit der Notverordnungen.

 

Die 3. Notverordnung des Reichspräsidenten vom 6. Oktober 1931 sah die beschleunigte Einleitung der Maßnahmen der vorstädtischen Kleinsiedlung für Erwerbslose und Kurzarbeiter vor. Die Reichsregierung bestellte einen Reichskommissar für die vorstädtische Kleinsiedlung, dem besondere Befugnisse zustanden. Dieser Reichskommissar erließ die ersten "Richtlinien zur Förderung der Kleinsiedlungen", die späteren Klein-Siedlungs-Bestimmungen (SB).

 

Mit dieser Maßnahme, die als wertschaffende Arbeitslosenfürsorge in die Geschichte einging, sollte neben einer einfachen Wohngelegenheit die Möglichkeit gegeben werden, durch Gartenbewirtschaftung die Lebenshaltung zu verbessern. Die Siedlerstellen mussten mindestens 600 qm groß sein, denkbar einfach ausgestattet werden, weil der Gesamtkostenaufwand - ohne Bodenerwerb - die Summe von RM. 3000.-- nicht überschreiten durfte. Das Reich gab pro Siedlerstelle ein Darlehen von RM. 2500.--. Als Bedingung war aufgeführt, dass die Aufschließungsarbeiten möglichst im Wege der Selbst- und Nachbarhilfe ausgeführt werden.

 

Im November 1931 teilte das Bayer. Staatsministerium für Wirtschaft und Arbeit der Stadt Nürnberg mit, dass geplant sei, der Stadt aus dem Bayern zugedachten Kontingent der Reichsmittel einen Teil zur Verfügung zu stellen. Der Stadtrat wurde über die Möglichkeit des Baues von Klein­siedlungen unterrichtet und übertrug einem Sonderausschuss die erforder­lichen Entscheidungen. Das Referat f. Wohnungs- und Siedlungswesen und das Hochbaureferat wurden beauftragt die notwendigen Vorbereitungen durchzuführen. Durch Beschluss des Gesamtstadtrates vom 3. Februar 1932 wurde der Weg für die Kleinsiedlung in der Stadt Nürnberg freigegeben.

 

Die ganze Stadt interessierte sich schlagartig für die Kleinsiedlung. Allein in der "Nürnberger Zeitung" standen 1932 etwa 50 Artikel die sich mit dem Siedlungsproblem befassten.

 

Nürnberg war die erste Stadt Deutschlands, die Siedlerkurse durch die Volkshochschule ankündigte und durchführte.

 

Als Träger für die Errichtung von vorstädtischen Kleinsiedlungen sollten nur Gemeinden tätig sein. So war es auch in Nürnberg. Die Stadt sollte und wollte 360 Kleinsiedlungen errichten. Doch es traten Landbeschaffungsschwierigkeiten auf. Dies veranlasste die Stadt, die gewerkschaftlich orientierten Baugenossenschaften in das Stadtrandandsiedlungsprogramm einzu­beziehen. Zuerst kam das Nürnberger Baugenossenschafts-Kartell zum Zuge.

 

Die christlichen Gewerkschaften bemühten sich ebenfalls um einen Anteil an den staatlichen Siedlungsmaßnahmen. So fand bereits am 16. Dez. 1931 eine Besprechung mit gleichgesinnten Genossenschaften statt. Eine Kommis­sion unter Vorsitz des Gewerkschaftssekretärs Borschert sollte mit dem Stadtrat verhandeln. Die katholischen Vereine führten im "Gesellen-Hospiz eine Aufklärungsversammlung über die geplante Siedlungsaktion durch.

 

Am 5. Februar 1932 trafen sich 104 siedlungswillige Interessenten. im Hause der "Selbsthilfe' in der Bogenstraße, um einen Bericht des Stadtrates N. Sommer zu hören. Seine Ausführungen waren so pessimistisch dass vielen Zuhörern die Lust zum Siedeln verging.

 

Im März 1932 wurde dann eine Liste der Siedlungs-Interessenten angelegt.

 

Die Baugenossenschaft "Selbsthilfe", die seiner Zeit in Verbindung mit den christlichen Gewerkschaften stand, verhandelte bereits in Zusammenarbeit mit dem Siedlungsverein "Nächstenhilfe" mit dem Staatsforst über den Kauf eines Geländes beim Entengraben. Je 24 Siedlerstellen sollten hier errichtet werden.

 

Die Entscheidung über die Zuteilung der Mittel, d.h. der Staats Reichs­darlehen, fiel in der Sitzung des Sonderausschusses zur Beschaffung der Mittel für 'Wohnungsbauten 1932 am 29. Juli 1932. Im August erhielt die Baugenossenschaft "Selbsthilfe" die Anerkennung als Träger der Kleinsiedlung.

 

Nachdem die Vorbereitungen soweit gediehen waren, daß die Verwirklich­ung des Siedlungsbaues als gesichert angesehen werden konnte, fand am Montag, den 26. September 1932 unter Leitung des Vorsitzenden des christl. Gewerkschafts-Kartells, Herrn Michael Haag, die Gründungsversammlung der Siedler- u. Kleingärtnervereinigung e.V. Nürnberg-S. Bogenstraße 31 statt.

 

Gemäß Eintrag im Vereinsregister wurde am 26. September 1932 erstmals eine Satzung errichtet. 40 siedlungslustige Männer wurden Mitglieder. 1950 erfolgte Umbenennung in "Siedlervereinigung "Selbsthilfe" e.V. Unser verstorbener Siedlerfreund Butze, lange Jahre Obmann und Vorstand, schrieb in seinen Erinnerungen über die Bauzeit:

 

"Am 20. Januar 1933 erhielt, ich vom Kollegen A. Eschenlohr den Auftrag, mit 14 Siedlern die Bauhütte auf dem künftigen Siedlungsgelände aufzuschla­gen. Dieser Tag bleibt uns ersten Pionieren unvergesslich. Am Entengraben bei Eibach, weit draußen vor der Stadt, auf diesem armseligen mageren Sandboden, auf dem kaum ein dürrer "Steckalaswald" gedieh, hier sollten wir unsere Siedlungs-Häuschen bauen, sollten Gärten anlegen die uns zu­sätzlich ernähren sollten? Mit was sollen wir das alles schaffen, war die bange Frage. Jeder hatte nur wenige Pfennige seiner kargen Arbeits­losenunterstützung in der Tasche.

 

Sie rodeten wie richtige Siedler den armseligen Wald. Was sich aus den mageren, dünnen Stämmen verwerten ließ, wurde sorgfältig ausgeschie­den für künftige Gartenzäune und dergleichen. Dann teilte uns der Architekt Hans Bogner mit, dass wir kleiner und bescheidener bauen müssten als vorgesehen, weil sonst das Reichsdarlehen nicht ausreichen würde. Die ausgewählten Siedler mussten nicht nur die Rodungsarbeiten ausführen, sie mussten auch den Baugrund ausheben.

 

Eine weitere Gruppe von Siedlungs-Anwärtern aus dem Los III und IV, wurde zur Arbeitsleistung einberufen. Ein Teil, vor allem Bauhandwerker, wurde zum Aufbau von Los II (Königshofer Weg/Walter-Flex-Straße) eingesetzt, andere im Seibold'schen Backsteinwerk in Reichelsdorf beschäftigt und zwar zu normalen Arbeitsbedingungen, ohne eine Entlohnung zu erhalten, weil diese ausschließlich auf die gelieferten Backsteine angerechnet wurde. Schreiner und Zimmerleute stellten im Sägewerk an der Nopitsch­straße die Dachstühle, Türen, Fenster und Treppen her.

 

Der damals noch "Freiwillige Arbeitsdienst" half mit, Gräben für die Versorgungsleitungen Wasser, Gas und Strom herzustellen."

 

Unter der Leitung des Poliers Ganzmann nahmen die Arbeiten bald Gestalt an. Am 6. Juli 1933 konnte Richtfest gefeiert werden und ab 12. September zogen die ersten Siedler in ihr neues, schwer arbeitendes Heim ein. Dass das Geld damals sehr knapp war beweist der Umstand, dass Umzüge auch mit ausgeliehenen Brücken-Handwagen unter Einsatz der ganzen Familie durchgeführt wurden, 24 Familien mit 98 Personen hatten ihr Ziel erreicht.

 

 

 

Die "Nürnberger Zeitung" berichtete am 17.Oktober 1933 über die feier­liche Übergabe:

 

"Am Samstag wurden die am Entengraben bei Eibach entstandenen 24 Siedlerstellen mit einer Einweihungsfeierlichkeit übergeben.

 

Die Häuschen, die in ihrer charakteristischen Bauweise sich harmonisch in die Landschaft einfügen, waren festlich geschmückt mit Tannengrün, Blumen, Girlanden und den Fahnen des neuen Reiches. Vertreter der Stadt, die Geistlichkeit, Wirtschafts- und Siedlerorganisationen, wie Vereine mit Fahnenabordnung wohnten dem Weiheakt bei.

 

Der Vorsitzende des Siedlervereins, Studienrat Schermer, kennzeichnete in seiner Rede das Werk mit dem Hinweis, daß noch vor wenigen Monaten sich hier ein ödes Gelände gezeigt habe. Die Häuser würden einen Dauerwert darstellen. Ideell sei zu sagen, daß mit dem geschaffenen Eigenheim und Eigenglück der Siedler zum besten Staatsbürger geworden sei. Der Redner appellierte an die Behörden, auch bei den noch unvollendeten

 

Arbeiten die Siedler zu unterstützen. Man habe beschlossen, daß die ersten fünf in der Siedlung geborenen Kinder ein Patengeschenk von je 10 RM. erhalten werden. - Der Obmann der Siedler, Heinz Butze, dankte der Verwaltung der Baugenossenschaft Selbsthilfe, dem Stadtrat und den übrigen Behörden im Namen der Siedlerschaft für das gezeigte Verständnis und Entgegenkommen.

 

Stadtpfarrer Meyer von der katholischen Kirchengemeinde Eibach gab dem Werk mit dem Schriftwort: "Friede sei in diesem Hause und allen denen, die darinnen wohnen" den kirchlichen Segen. Stadtpfarrer Beer von der evangelischen Gemeinde Eibach warb für das richtige Nachbarverhältnis im Geiste der Kraft und Einheit. - Stadtrat Dr.Fischer beglückwünschte die Siedler im Auftrage des Stadtrates und des Oberbürgermeisters Liebel Die Feier könnte ein Erntedankfest der Siedler genannt werden. Der Redner betonte dann die richtungweisende Arbeit, die hier geleistet worden ist. Industrieleute hätten Bauten wie Bauweise als vorbildlich bezeichnet." Die Arbeit riß jedoch nicht ab. Es begann der Straßenbau, das Zaunsetzen und das Planieren der Siedlerstellen.

 

Im November 1933 benannte die Stadt Nürnberg die neuen zwei Siedlungs­straßen mit "Königshofer Weg" und "Walter Flex Straße".

 

Am 1.Oktober 1934 dieser Siedlungsabschnitt (Los II) nach Nürnberg

 

zur Gemarkung Eibach eingemeindet. Am 1.Januar 1936 erfolgte der Beitritt zum Deutschen Siedlerbund.

 

Am 9.November 1938 wurden die 24 Siedlerstellen an die Siedler übereignet.

 

Die von den Siedlern gebaute einfache Brücke über den Entengraben wurde von der Stadt durch eine stärkere Konstruktion ersetzt. Sie stürzte nach einigen Jahren wegen Überlastung zusammen. Eine neue, noch massivere Brücke bekam in den siebziger Jahren schwere Schäden und wurde abgerissen. Dafür wurde ein Spezialstahl-Durchlass (VÖST) geschaffen und das Gelände aufgefüllt. Siedlerfreund Helm, ebenfalls lange Jahre Vorstand, erinnert sich an die Bauzeit von Los III und IV :

 

"Lange mußten die Siedler von Los lII und IV warten bis sie für die eige­nen Siedlerstellen ans Werk gehen konnten. Zuvor war noch die Frage zu klären, ob der Kiesbuck mit seinem tiefen `Trichterfeld‘ überhaupt bebaut werden sollte. Ein Gelände an der Bayreuther Straße stand in Auswahl. Dann entschied man sich doch für den Kiesbuck. Die geänderten politischen Verhältnisse spielten ebenfalls eine Rolle. Der Idealismus mit einer mehr als halbjährigen Arbeitsvorausleistung ohne jedes Entgelt, nur mit einer kargen Arbeitslosenunterstützung lebend, hatte sich für die Siedlungs­willigen gelohnt. Sie wurden als Siedlungs-Anwärter bestätigt.

 

Über die Siedlungsweibe Los III und IV liegt folgender Zeitungsbericht vor:

 

"Am schön gelegenen Entengraben bei Eibach hat die Baugesellschaft Selbst­hilfe 38 neue Siedlerstellen geschaffen. Diese 19 Doppelhäuser sind im

 

Rohbau bereits fertiggestellt. Am Freitag Nachmittag versammelten sich die Siedler zur Weihe und zum Richtfest.

 

Studienrat S c h e r m e r, der Vorsitzende der Baugenossenschaft und der Siedlervereinigung hielt, die Festrede. Es sei kaum ein Jahr her, dass man einige hundert Meter nördlich von dieser Stelle ebenfalls eine solche Feier abhalten konnte. Er schilderte dann die Schwierigkeiten, die mit dem Werden der neuen Siedlung zu überwinden waren. Besonders machte das Grundwasser den Siedlern schwer zu schaffen. Der Dachstuhl der Häuschen mußte schräger gemacht und die Häuschen selbst etwas verlängert werden. Er dankte den arbeitslosen Helfern die das Wohlfahrtsamt zur Verfügung stellte, dankte den am Bau beteiligten Siedlern, den Behörden und allen die mit, Rat und Tat zur Seite gestanden haben. Am Anfang seiner Rede gedachte Studienrat Schermer den Männern, die das Siedlungs­problem in so großzügiger Art fördern. Polier und Zimmermann Eger trug dann einen würzigen Prolog vor. Sechs Gläser mußte er hinter die Binde gießen, bis er aller gedacht hatte.

 

Anschließend sprachen ein Vertreter der Bauproduktivgenossenschaft, der kath.Stadtpfarrer Meyer, der prot. Pfarrer Arold von Eibach und der Siedler-Obmann Grasser."

 

Es war ein langer, harter und beschwerlicher Weg bis die Siedlerstellen bezugsfertig geworden waren. Für machen Siedlungswilligen zu beschwerlich, sodaß er aufgab. Das war verständlich im Hinblick auf die doppelt solange Bauzeit gegenüber I Los II, bedingt durch erhebliche Geländeschwierig­keiten und Grundwasser.

 

Die Errichtung der Siedlung war für die damaligen Verhältnisse eine Pionierleistung, wie man sie sieh in unserer heutigen (Wohlstands-) Gesellschaft nicht einmal mehr vorstellen kann. Nur durch die unermüd­liche Arbeitsleistung der Siedler, die hervorragende Zusammenarbeit und soziale Einstellung der Baugenossenschaft Selbsthilfe, konnte bei einem verminderten Reichsdarlehen von 2350 RM, ein derartiges Werk geschaffen werden. Der Lohn für den einzelnen Siedler war die notarielle Eigentums­übertragung im November 1940. Wegen des Krieges wurde die Eintragung in das Grundbuch von "Amtswegen" zurückgestellt. Bei einem Luftangriff verbrannten die Urkunden. Die Eigentumsübertragung wurde deshalb im Jahre 1950 wiederholt. Erst damit kam das Siedlungsprogramm nach 18 Jahren offiziell zum Abschluss.

 

Im Herbst 1935 begann der Bau der "Schermer-Siedlung und der Eigenheimer-Siedlung. Im Mai-Juni 1936 bezogen die künftigen Eigenheimer ihr neues Heim. Die Bebauung des damals baureifen Geländes durch die Selbsthilfe war damit abgeschlossen. Die nicht baureifen Parzellen wurden als Gartenflachen verkauft. Nach dem Krieg wurden sie vereinzelt, bebaut und nach dem Bau des südwestlichen Hauptsammlers und der damit verbundenen Senkung des Grundwasserspiegels entstanden die weiteren Eigenheime im südlichen Teil der Walter Flex Straße.

 

 

 

1938 wurde auch die mit den dünnen Stämmen des gerodeten Waldes ange­legte "Rollbahn" beseitigt.

 

Die Baugenossenschaft Selbsthilfe finanzierte den bereits 1934 mit der Stadt vereinbarten Bau der Walter Flex Straße von Haus-Nr.15 - 108 vor. Die Straße wurde damals bereits mit einer Asphaltdecke hergestellt. 1939 wurde sie mit den drei befestigten Stichstraßen der Selbsthilfe von der Stadt übernommen. Die vorhandenen 46 Siedlerstellen wurden gleichmässig mit den Kosten belastet. Im Sommer des gleichen Jahres kam die Straßenbeleuchtung bis in unsere 3 Stichstraßen. Nur wenige Wochen konnten die Siedler die neue Beleuchtung genießen. Dann war es wieder finster. Der Krieg brachte die Verdunkelung. Auch im Vereinsleben. Der letzte Eintrag des Schriftführers Helm im Protokollbuch war der Bericht über die Sitzung des Vorstandes am 15.5.1939.

 

Unsere Kleinsiedlungen am Königshofer Weg und in der Walter Flex Straße sind in einer außerordentlichen Notzeit entstanden. Damals war der soziale und psychologische Grundgedanke im Vordergrund, Erwerbslose dem zermürbenden Einfluß der Beschäftigungslosigkeit zu entziehen und ihnen einen gewissen Lebensinhalt zu geben. In weiterer Folge sollte aber durch diesen Siedlungsgedanken den in der Stadt arbeitenden und den Zufallen des Arbeitsmarktes ausgesetzten Personen samt ihren Familien Bodenständigkeit verschafft werden. Tatkräftigen Männern und Frauen sollte die Möglichkeit gegeben werden, ein bescheidenes, jedoch eigenes Heim zu schaffen und durch die Nutzung des Bodens der Familie eine wirtschaftliche Grundlage zu geben.

 

Aus dieser Sicht ist es zu verstehen, daß den Siedlern gewisse Auflagen gemacht wurden. Kleintiere waren unerläßlich. Der Wert der Gartenerzeug­nisse zeigte sich erst richtig in den Kriegs- und Nachkriegsjahren.

 

 

 

Die politischen Vorgänge 1933 machten auch vor der Siedlervereinigung nicht halt. In diesem Jahr fanden 3 Generalversammlungen statt.-Zweimal mußte die Satzung geändert werden bis die sogenannte "Gleichschaltung' durchgeführt war. Tatkräftige Männer der ersten Stunde mußten abtreten. Ein neuer Vorstand, nunmehr Vereinsführer, wurde gewählt.

 

Studienrat Schermer, bereits als Beisitzer tätig, übernahm die Führung der Siedlervereinigung. Durch seinen unermüdlichen Einsatz und seinen steten Kontakt mit den Siedlern, ist, er bis heute allen älteren Mitglie­dern in guter Erinnerung geblieben.

 

Nach dem Zusammenbruch 1945 regten sich die Siedlerkräfte wieder. Studienrat Schermer kehrte nicht mehr aus Rußland zurück. Die Personal­union in Siedlervereinigung und Baugenossenschaft war durch die Ereignisse aufgelöst. Der Träger hatte selbst genug zu tun, um die Kriegsschäden seines Wohnungsbestandes zu beseitigen. Personelle Veränderungen trugen dazu bei, daß der Kontakt nicht mehr so innig war als früher. Trotzdem riß der Faden nicht ab.

 

Große Aufgaben galt es zu lösen. In erster Linie sollten Futtermittel. Düngemittel und Saatgut beschafft werden. Alles war kontingentiert und knapp. Für eine Generalversammlung am 26 Oktoter 1945 mit Neuwahl auf demokra­tischer Grundlage mußte bei der Besatzungsmacht die Genehmigung einge­holt, werden. Und so ging es dann wieder weiter:

 

1945    26.Oktober Sfr. Butze wird zum 1.Vorsitzenden gewählt ,

 

1946    13.Januar Beitritt der Svgg. zum Siedlerbund Franken beschlossen

 

1949    13.Mai Sfr. Helm wird zum 1.Vorsitzenden gewählt

 

Straßenbeleuchtung im Hauptstrang wieder in Betrieb

 

1950    Ü'bereignungswiederholung von Los lII und IV

 

1952    Staubfreimachung von Teilen der Walter Flex Straße

 

1953    Bau des Geräteschuppens auf dem Vereinsgrundstück

 

1954    letzte Besichtigung durch den Träger

 

1956    Wiederinbetriebsetzung der Straßenbeleuchtung in den Stichstraßen

 

1957    24.Februar Sfr.Streber wird zum 1. Vorsitzenden gewählt

 

1.Juli   Außerkraftsetzung der KSB durch WoBauG

 

21.Sept.          25. Gründungsfest

 

1958    Kanalisationsfrage erstmals in Vorstands-Sitzung behandelt

 

Bau und Beleuchtung des Verbindungsweges z.Straße "Am Steinberg"

 

1959    Kanalisation-Anliegerbefragung - ,Antrag in Bürgerversammlung

 

1961    Kanalisation Stichstraße Haus-Nr 104-122

 

1962    Kanalisation Altmühlweg bis Walter Flex Straße 160

 

20 KV-Kabel durch Walter Flex Straße verlegt

 

1963    Erneuerung der gemeinsamen 'Wasserzuleitungen in den Stichstraßen Haus-Nr.115-137 und 139-161 (Bituminierte 2" Leitungen)

 

Verbesserung der Stromversorgung durch Schaltkästen der EWAG

 

Kanalisation Königshofer Weg - Walter Flex Straße bis Brücke

 

Kanalisation Stichstraße Haus-Nr.115-137

 

1964    Kanalisation Stichstraße Hausnr,137-161 und W-FIex-Str.124

 

Kanalisation Stichstraße Haus-Nr.163-173 und W.Flex Strasse bis 158

 

Bau des neuen Trafo-Haus Walter-Flex Str,130 durch EWAG

 

1965    Verlängerung der Walter Flex Straße bis Altmühlweg

 

Kanalisation Königshofer Weg bis hinter Brücke

 

Kanalisation Stichweg Haus-Nr.132-138

 

Erneuerung der gemeinsamen Wasserzuleitung in der Stichstraße Haus-Nr,163-173

 

Verlegung stärkerer Stromkabel in den Stichstraßen

 

Instandsetzung der Stichstraßen. 115-137,139-161,163-173

 

1966    Kanalisation Königshofer Weg 18-28

 

Instandsetzung des Königshofer Weges

 

Damit wurde die Kanalisation im Siedlungsbereich abgeschlossen.

 

21.Okt. Große Aufklärungsversammlung im Rührer-Saal über den Fragebogen zur Feststellung des Einheitswertes.

 

1968    Stadt verlangt Erschließungsbeitrag von Altsiedlern. Widerspruch!

 

1969    Regierung von Mittelfranken hebt Kostenbescheide auf.

 

Bebauungsplan 3549 (Kö Weg 18_24) nach Änderung beschlossen.

 

1971    Bebauungsplan 3813 ausgelegt. Bedenken erhoben.

 

1972    Bebauungsplan 3813 beschlossen. Der 17.Juli ein"schwarzer Montag"

 

für die Walter Flex Straße. Der Volkswille wurde mißachtet!

 

19.Oktoher Einleitung des Planfeststellungsverfahrens (B 14 neu) für den Neubau des Bundesstraßenteilstücks zwischen der B 2 (Reichelsdorfer Hauptstraße) und der geplanten B 2 neu

 

Bau der neuen (Donau) Wasserleitung am südl. Ende der W. Flex Straße

 

1973    Bebauungsplan 3550 öffentlich ausgelegt. Nach Aussprache und Fragebogen-Aktion ablehnende Bedenken vorgelegt.

 

1974    30.April Erörterungstermin Planfeststellungsverfahren. (B14 neu) Bundesstraßenteilstück B 2 alt - B 2 neu. 8.Juli Stellungnahme zum General-Verkehrs-Plan (GVP) Bereich B 2 neu/B 14 neu

 

1.Oktober Stadtrat beschließt neuen GVP Keine B 14 neu und kein Bundesstraßenteilstück!

 

Umbau Walter Flex Straße 41-139

 

Neue Straßenbeleuchtung im Königshofer Weg

 

Verkehrszählung Walter Flex Straße ergibt viel Durchfahrtsverkehr.
1975    lo.April Bestätigung des GVP, keine B 14 neu, keine Verbindungsstraße

 

Oktober Neuer Vorstoß der Verwaltung für eine verlängerte Wiener Straße erneut abgelehnt. Bebauungsplanverfahren 355o ruht

 

1976    Neue Vermessungen Planung verlängerte Wiener Straße

 

Gründung einer Bürgerinitiative in Eibach für den Bau der verlängerten Wiener Straße mit Unterstützung durch Vorstadtverein und Parteien.

 

Verkehrsampel am Königshofer Weg

 

1976    Oktober Regierung v.Mfr, stellt Planfeststellungsverfahren Bundesstraßenteilstück

 

(B 14 neu) ein

 

Dezember Stadtrat beschließt Verkehrskonzept Verknüpfungen der B2 a und damit

 

den Bau der verlängerten Wiener Straße und der verlängerten Vorjurastraße

 

Umbau der Stichstraße Haus-Nr.139-161

 

1977    Bedenken und Anregungen zum Flächennutzungsplan Ergänzung Süd 1972 eingereicht. Gegen Hafen-Industriegebiet Süd und für Änderungen im Bereich Walter Flex Straße. Umbau der Stichstraße Haus-Nr.115-137

 

Antrag an Stadtplanung auf Änderung des Beb.P1.3549 im Bereich Königshofer Weg

 

Oktober Regierung v.Mfr. leitet Planfeststellungsverfahren zum Neubau verlängerte Wiener Straße und   Vorjurastraße ein. November 600 Einwendungen gegen Bau der verl. Wiener Straße der Regierung vorgelegt

 

Dezember Bebauungsplanverfahren 3550 eingestellt.

 

1978    Umbau Teilstück Walter Flex Straße Haus-Nr.173/175 - 160/152 Oktober Erörterungstermin zum Planfeststellungsverfahren verl. Wiener Str.

 

1979    Umbau Walter Flex Straße zwischen Haus-Nr.41 und Königshofer Weg 30.5. Planfeststellungsbeschluss der Reg.v,Mfr. für den Neubau der verlängerten Wiener Straße und der verlängerten Vorjura Straße Bildung einer Streitgenossenschaft - Klage gegen Freistaat Bayern

 

1980    Nach Planänderung neue Wasserleitung, Gasleitung und Stromkabel im Königshofer Weg

 

Stadtrat beschließt Fertigstellung der verl. Vorjurastraße

 

30. Oktober Verwaltungsgericht Ansbach weist Klagen gegen den Planfeststellungsbeschluss zurück

 

10. Dezember neue verlängerte Vorjura Straße dem Verkehr übergeben.

 

1981    Berufung gegen Urteil VG.Ansbach zum Bayer. Verw. Gerichts-Hof

 

Neuer Vorschlag an Stadträte,OB und Bm zur Anbindung des Ortsteils Reichelsdorf an die B 2a

 

1982    Umbau Königshofer Weg

 

20. Juli Augenscheinnahme der Trasse geplante verl. Wiener Straße durch den 8.Senat des Bayer. Verwaltungsgerichtshofs, München

 

21.Juli Mündliche Berufungsverhandlung in Nbg. Weintraubengasse

 

3.Aug. Urteil des VGH.: Planfeststellungsbeschluss der Regierung v. Mfr. vom 30.5.79 und Urteil des VG. Ansbach v.20.10.80 werden aufgehoben.

 

28.Aug. Eingang der schriftlichen Ausfertigung des Urteils.

 

"Der Planfeststellungsbeschluss enthalt keine Hinweise auf eine Abwägung der Belange der betroffenen Kläger."

 

Der Senat hält eine "Nachbesserung" des Planfeststellungsbe­schlusses wegen der gravierenden Eingriffe in private Rechte für nicht zulässig. Nur zu diesem Punkt kann Revision beim Bundes­verwaltungsgericht eingelegt werden.

 

 

 

 

 

In wenigen Wochen wird entschieden sein, ob diese Planungs-Tragödie seinen Fortgang nimmt, oder ob vernünftige Kräfte einen Schlussstrich ziehen. Nach den vielen Erdbewegungen der 60er und 70er Jahre wäre es wünschenswert wenn nunmehr einmal "Planungs-Ruhe" einkehren würde.

 

Wenn man die alten Aufzeichnungen und Protokolle liest, wird die Erinner­ung wach, wie ein Film ziehen die 50 Jahre vorbei.

 

Waren es in der Bauzeit die schwere Arbeit und die Geldnöte, die die Siedler drückten, so war es nach dem Krieg vor allem der knappe Wohnraum und die an Zahl und Alter gewachsene Familie. Viele Pläne und Vorstellungen über eine Erweiterung oder Aufstockung vertrugen sich nicht mit den Bauvorschriften oder dem Siedlungscharakter.

 

Mit der Durchführung der Kanalisation, dem Einbau von WC und Bädern hat unsere Siedlung den Anschluss an die heutige Wohnkultur gefunden. Das war ein echter Fortschritt. Sieben Jahre dauerten die Bemühungen bis zum letzten Kanaldeckel. Damals gab es fast eine Revolution in der Siedlung. Heute sind diese Einrichtungen selbstverständlich.

 

Die Kanalisation hatte zur Folge, dass nunmehr Hauserweiterungswünschen besser entsprochen werden kann. Jeder Siedler sollte sich trotzdem eine gewisse Beschränkung auferlegen. wir wollen noch im Grünen wohnen! Deshalb auch der Widerstand gegen die im Bebauungspinn 3550 vorgesehene totale Verdichtung und der Straßenerweiterungen.

 

Die Siedler wurden laufend über ihre Rechte und Pflichten als Bau- und Grundeigentümer unterrichtet. Vorträge über Einheitswert, Grundsteuer, Brandversicherung, Haftpflichtversicherung und die verschiedenen Hausgebühren sollten ihn aufklären und die Möglichkeit geben, die auf ihn ständig zukommenden Zahlungsverpflichtungen auf ihre Richtigkeit zu prüfen. Er wurde aufgeklärt über Familienrecht, Testament und Erbrecht.

 

Der Bayerische Siedlerbund und die jeweiligen Vereinsvorstände waren den Siedlern in diesen Jahrzehnten ein verlässlicher Berater.

 

Trotz des großen Katalogs von Rechtsfragen wurde die Beratung für den Siedlergarten nicht vernachlässigt. Mit der Verbesserung der Ernährungs­lage ging ein Nachlassen der Gartennutzung und eine Umstrukturierung der Gärten einher. Aus den reinen Nutzgärten wurden Haus- und Wohngärten. Neue Erkenntnisse brachten hier ebenso Veränderungen wie in anderen Bereichen. Man denke nur an die Vielzahl neuer Düngemittel und an die enormen Fortschritte auf dem Gebiet der Schädlingsbekämpfung. Tausende von Ballen Torf und riesige Mengen Düngemittel aller Sorten hat der Kiesbuck mit, seinem kiesigen, rauhen Sand in all diesen Jahren buchstäblich gefressen. Kein Bauer hätte hier einen Pflug angesetzt. Die Siedler verwandelten den unwirtlichen Kiesbuck in eine blühende Landschaft.

 

"Die Ansiedlung sollte eine Dauernde sein " sprach 1932 Stadtrat Wolfram, der Siedlungsreferent der Stadt Nürnberg. Die "Randsiedler" sind bis heute sesshaft geblieben. Sie wünschen Ruhe, Geborgenheit. und schätzen die individuelle Freiheit in ihrem Besitz!

 

Diese kurze Geschichte der Kleinsiedlung und unserer Siedlervereinigung "Selbsthilfe" e.V', am Königshofer Weg und an der Walter Flex Straße weist nur auf wichtige Daten und Vorgänge hin. Sie zeigt aber deutlich, dass die eingetretenen Verbesserungen nur durch jahrelanges Bitten und Drangen scheibchenweise erkämpft werden mussten.

 

Die Chronik soll den alten" die Erinnerung an einen langen Lebensab­schnitt nachhalten, den "Jungen" aber zeigen, dass durch unermüdlichen Einsatz und ein gutes Maß an Wissen, der Erfolg nicht ausbleibt.

 

Die junge Generation muss sich ihre Zukunft selbst gestalten. Vor allem ist es notwendig, dass sie sich für planerische und kommunal politische Vorgänge interessiert, damit sie sich gegen unberechtigte Forderungen und Eingriffe vor. Stadt und Staat wehren kann.

 

 

 

Josef Streber sen.       September 1982